Klinikum Mittelbaden

Moderne Schlaganfallbehandlung in Rastatt

2015 kam es zu einer Gezeitenwende in der Behandlung des akuten Schlaganfalls. Erstmals haben Studien gezeigt, dass die moderne Schlaganfall-Behandlung mit Hilfe eines Katheters die Chancen für ein Überleben deutlich verbessert. Bis dahin bestand lediglich eine wissenschaftliche Evidenz für die sogenannte intravenöse Lysetherapie. Dabei wird ein Medikament gespritzt, um Blutgerinnsel in Hirnarterien aufzulösen. Allerdings führt diese Lysetherapie in vielen Fällen, insbesondere bei schweren Schlaganfällen mit Verschlüssen von großen Hirngefäßen nicht zum gewünschten Erfolg.

Die Katheterbehandlung, in der Fachsprache Thrombektomie genannt, ist hingegen gerade in diesen Fällen sehr effektiv Blutgerinnsel mechanisch aus Hirnarterien zu entfernen. Über einen kleinen Schnitt in der Leiste wird innerhalb der Arterien ein Katheter bis an das Blutgerinnsel in der Hirnarterie herangeführt und herausgesaugt. Zusätzlich kann auch ein sogenannter Stent-Retriever, ein korbähnliches Geflecht, eingesetzt werden. Hierdurch wird das Blutgefäß eröffnet, die Hirndurchblutung wiederhergestellt und das Gehirn vor größeren Schäden bewahrt, vorausgesetzt die Therapie wird zügig eingeleitet und durchgeführt.

An der Universitätsklinik Heidelberg kommt diese Therapie seit vielen Jahren erfolgreich zum Einsatz. Da dieses Verfahren jedoch ein Team mit hochspezialisierten Ärzten erfordert, konnte es nicht überall angeboten werden. Nun war es aber an der Zeit, das Verfahren auch in der Breite zu etablieren.

Hierzu schlossen das Universitätsklinikum Heidelberg und das Klinikum Mittelbaden Rastatt eine besondere Kooperation. Seit 2017 kommen Neuroradiologen der Universitätsklinik Heidelberg nach Rastatt, um die Thrombektomie als Notfalleingriff vor Ort durchzuführen. Zuvor mussten diese Patienten für die Thrombektomie an andere Zentren verlegt werden, was zu einem enormen Zeitverlust und zu einer zusätzlichen Belastung dieser schwerkranken Patienten führte.

„Die Kooperation bedurfte einer intensiven Entwicklung und einer guten gegenseitigen Abstimmung, da mehrere Fachdisziplinen zusammenarbeiten: Neurologie, Anästhesie, Radiologie, Neuroradiologie und Intensivstation“, erklärt Dr. Jochen Bäuerle aus der Neurologie des Klinikums Rastatt. „Die Abläufe sind mittlerweile so gut eingespielt, dass der Großteil unserer Schlaganfall-Patienten in Rastatt thrombektomiert werden kann. Dies sind in Rastatt jährlich zwischen 70 und 80 Patienten. Musste 2019 noch etwa die Hälfte der Patienten in andere Kliniken verlegt werden, konnten 2021 trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie bereits über 80 Prozent der Patienten in Rastatt thrombektomiert werden.“

Die Neuroradiologen der Universitätsklinik Heidelberg sind mit der Zusammenarbeit ebenfalls sehr zufrieden. „Die Abläufe sind sehr gut abgestimmt“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Fatih Seker, der die Kooperation von Seiten der Universitätsklinik mitbetreut. „Während wir im Auto unterwegs nach Rastatt sind, bereiten die Kolleginnen und Kollegen vor Ort alles Nötige
für den Eingriff vor. Dadurch können wir wertvolle Zeit für den Patienten sparen.“

Für den Ärztlichen Direktor der Neuroradiologie in Heidelberg, Prof. Dr. Martin Bendszus, ist die Kooperation ein Erfolgsmodell: „Für den komplexen Eingriff an den Hirngefäßen muss ein Team aus Spezialisten vorgehalten werden, was oftmals nicht möglich ist. Wir freuen uns sehr mit unserem erfahrenen Team hier helfen zu können und zu garantieren, dass die Patienten vor Ort in Rastatt optimal versorgt werden können“. Dass dieses moderne Versorgungskonzept, bei dem der Neuroradiologe in andere Kliniken fährt und nicht der Patient in ein Zentrum verlegt wird, erfolgreich und zeitsparend ist, konnte bereits in mehreren Studien gezeigt und international publiziert werden.

Der Chefarzt der Neurologischen Klinik Rastatt, Prof. Dr. Michael Daffertshofer, freut sich sehr, dass dieses innovative Projekt in Mittelbaden verwirklicht werden konnte. Dadurch ist es nun auch im ländlichen Raum möglich, Patienten mit großen Schlaganfällen zu behandeln, die früher eine schwere Behinderung davon getragen hätten oder vielleicht auch an der Erkrankung verstorben wären.