Klinikum Mittelbaden

Harmonischer Klangteppich auf der Frühgeborenenstation

Harmonischer Klangteppich auf der Frühgeborenenstation: Musiktherapeutin sorgt für Entspannung bei Babys und ihren Eltern

„Kinder mit besonderen Bedürfnissen waren mir schon immer ein Anliegen“, sagt Evelyn Merz-Solliec. Seit Kurzem arbeitet die Musiktherapeutin auf der Frühgeborenenstation des Klinikums Mittelbaden in Balg und berichtet von ihren ersten Einsätzen mit  „fitten Frühgeborenen“, wie sie sagt.

Finanziert wird ihre Arbeit in der Balger Klinik von BaBaKi, dem Freundeskreis der Klinik für Kinder und Jugendliche Baden-Baden e.V. Das bedeutet: Für Eltern von frühgeborenen Kindern ist dieses therapeutische Angebot kostenlos. „Ich finde das eine schöne Möglichkeit, Kinder auf diese Weise ins Leben zu begleiten“, erzählt Merz-Solliec von ihrer persönlichen Motivation. Aus medizinischer Sicht ist dieses Angebot auf der neonatologischen Intensivstation ein Gewinn. Dr. Markus Kratz, Ärztlicher Direktor und Leiter der Kinder- und Jugendmedizin: „Für mich ist die Musiktherapie in der Neonatologie als therapeutische Begleitung und wichtige Präventionsmaßnahme für Stabilität und Entwicklung eine ideale Ergänzung des bestehenden medizinischen Behandlungsangebots.“

Eine sanft klingende, pentatonisch gestimmte Babyharfe und ein etwa 30-saitiges Monochord sind Evelyn Merz-Solliecs Begleiter auf der Neonatologie. Die Musiktherapeutin verdeutlicht, worauf es ihr in der Arbeit mit dem Kind und den Eltern ankommt: Es geht nicht nur um das Hören, sondern auch um das Spüren der Klänge – und darum, dass alle Beteiligten in Kontakt mit sich selbst kommen. Saiteninstrumente haben Evelyn Merz-Solliec zufolge durch ihren natürlichen Klang und ihre Fülle an Obertönen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Gehirns: „Das kann ein synthetischer Ton nicht.“

„Die Kinder hören sich schon im Bauch der Mutter in ihr Leben ein“, sagt Evelyn Merz-Solliec. „Der Bauch wirkt während der Schwangerschaft noch wie ein Filter. Dennoch kennen die Kinder die Stimmen der Mutter und des Vaters schon ganz genau. Und auch die von Geschwistern – oder sie sind schon an den Hund gewöhnt, der zur Familie gehört.“ Mit der Geburt fällt der natürliche Filter weg, der die Klänge des Lebens gedämpft an die Kinder heranträgt. Bei Frühgeborenen kann das besonders traumatisch sein: Das Gehör ist nicht komplett ausgebildet, und auch das Nervensystem braucht noch Zeit, um sich zu stabilisieren.  „Die Tage im Krankenhaus sind purer Stress für ein so kleines Wesen“, weiß Evelyn Merz-Solliec.

Und auch die Eltern seien durch eine vorzeitige Geburt oft traumatisiert – und entsprechend angespannt.  „Mütter kämpfen plötzlich wie Löwinnen um ihre Kinder, sie entwickeln eine besondere Stärke. Die Väter geraten dabei oft  in Vergessenheit – mit ihrer Sorge um die Mutter, die vielleicht viel Blut verloren hat, und um das Kind.“ Die Anspannung der Eltern überträgt sich automatisch auf das Baby.

Entspannung lässt sich ebenfalls von den Eltern aufs Kind übertragen. „Atmet die Mutter ruhiger, so tut es das Kind auch“, nennt Merz-Solliec ein Beispiel. „Tönen ist eine der besten Atemübungen“,  ist die Musiktherapeutin überzeugt und streicht mit ihren Fingern sanft über die Saiten des Monochords – Klänge wie aus „Tausend und einer Nacht“ erfüllen den Raum. „Da kann man jetzt eine kleine Melodie dazu summen“, sagt sie und versichert: „Dabei kann man nichts falsch machen.“ Mit einem musikalischen Vater sei sie dabei schon ins Improvisieren gekommen. „Am besten ist es, wenn die Eltern mitmachen und ihre Erfahrungen mitnehmen in den Alltag.“ Auf der Frühgeborenenstation lässt sich die positive Wirkung von Musik übrigens im wörtlichen Sinn ablesen, so Evelyn Merz-Solliec: „Die Kinder sind ja an einen Überwachungsmonitor angeschlossen: Da sieht man genau, wie sich die Herzfrequenz beruhigt und die Sauerstoffsättigung zunimmt.“

Dies bestätigt Dr. Markus Kratz: „Da bereits das ungeborene Kind auditorische Reize ab der 26. Schwangerschaftswochen wahrnehmen kann, ist dies auch den Frühgeborenen auf unserer neonatologischen Intensivstation möglich. Bisherige Studien zeigen einen stabilisierenden und entspannenden Effekt von Musiktherapie auf die zu frühgeborenen Kinder. Diese positive Wirkung lässt sich bereits während der Musiktherapie am Verhaltensmuster und an physiologischen Parametern wie Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung nachweisen.“

Haben die Eltern Interesse, so sorgt Evelyn Merz-Solliec zunächst dafür, dass alle bequem gebettet sind: Sie drapiert ein Stillkissen um die Mutter und legt das Kind entweder auf das Stillkissen oder auf die Brust der Mutter, so dass sich beide gut spüren können – und die Klänge und Vibrationen sie erreichen. „Es geht mir darum, eine angemessene Stimulation zu schaffen. Es darf aber nicht zu viel sein.“

Foto: Evelyn Merz-Solliec mit ihrem Monochord auf der neonatologischen Intensivstation in Balg. Foto: Daniela Körner/Klinikum Mittelbaden